Text und Bilder von Cibely und Bernhard Dohle

Geschenktes Augenlicht

Die erste Herausforderung des Tages trifft Mateo, als er vor die Tür der Hütte tritt, in der er mit Geschwistern und Eltern lebt. Er kennt den Weg zur Schule gut, denn nun im vierten Schuljahr ist ihm jede Biegung, jede Steigung und jedes Hindernis vertraut. Zwar kann er die Umgebung nur verschwommen sehen, ihm helfen aber die Geräusche und was er unter seinen Füßen fühlt, um nicht zu häufig zu stolpern oder zu fallen, so wie es zu Beginn häufig geschah. Nach etwa 20 Minuten Fußweg hört er in der Nähe der Schule Kinderstimmen, Lachen, Rufe. Schon nähern sich bekannte Stimmen: Seine Freunde nehmen ihn mit in die Klasse.

Obwohl Mateo in der ersten Reihe sitzt, kann er die Wörter auf der Tafel nicht entziffern. Wie etliche Schulkinder seines Alters ist Mateo kurzsichtig. Seine Bildungsaussichten scheinen verstellt – er allerdings kämpft, um den Anschluss an die anderen Schulkinder nicht zu verlieren. Er kann inzwischen schreiben und lesen, auch wenn er dabei seine Augen bis knapp über das Blatt senken muss.

Schwester Reyna Ramirez beim Aktionstag, Mateo bei der Untersuchung der Augen

Hilfe im Blick

Trotz aller Hindernisse hat Mateo Glück, in einer von franziskanischen Ordensschwestern geführten Schule eingeschrieben zu sein. Hier begleiten Franziskanerinnen die Kinder mit ihrer mildtätigen Mission seit 150 Jahren. Derzeit erleben rund 15.000 Kinder in ihren 28 Schulen einen Unterricht, der weit über den Standard-Bildungsauftrag mit seinen vorgeschriebenen Curricula hinausgeht. Die Kinder kommen zumeist aus armen Familien in prekären Lebensverhältnissen, die kaum genügend Geld haben, um sich zu ernähren, geschweige denn, Gesundheitsdienste zu bezahlen oder den Nachwuchs zur Schule zu schicken, anstatt ihn für die Familie das Einkommen aufbessern zu lassen.

Weltweit nimmt die Kurzsichtigkeit bei Kindern zu und wird in aktuellen globalen wissenschaftlichen Studien als ernsthaftes Entwicklungshindernis beschrieben, wovon zwischen 30 bis 40 Prozent der Kinder eines Jahrgangs betroffen sind.

Seit 1991 arbeiten die Familien Dohle und Gonzalez im Bereich der Augengesundheit für Bedürftige. Am Anfang standen Spenden von Augenoptikgeräten und gebrauchten Brillen aus Deutschland, die von den inzwischen verstorbenen Eltern Dohle nach El Salvador gebracht wurden. Mit zunehmender Erfahrung und Vernetzung kamen Containertransporte dazu und größere Augengesundheitsprojekte wurden möglich. Eine Systematisierung der Initiativen erfolgte dann mit der Gründung von »Los Fundadores« mit gemeinnütziger Registrierung in El Salvador und in Deutschland.

Spenderorganisationen in Deutschland vermittelten den Kontakt zur Franziskaner Mission München, die sich mit dem Projektvorschlag für »Ojitos Felices« (»Glückliche Kinderaugen«) identifizierte und das Vorhaben seit 2024 gemeinsam mit anderen katholischen Organisationen finanziell unterstützt. In El Salvador wurde »Ojitos Felices« von den Franziskanerinnen begrüßt und seit der zweiten Jahreshälfte in den von ihnen betreuten Schulen eingesetzt.

Cibely Dohle besucht die Kinder im Centro Educativo Catolico San Antonio

Augen-Aktionstage

Was geschieht in den Schulen? Die Verantwortlichen von »Ojitos Felices« besuchen die Schulen unter Franziskanischer Leitung, erklären das Projekt und bieten die Einbeziehung in die Augengesundheits-Kampagnen an. Die Schulleitung übermittelt daraufhin dem Projektteam von »Los Fundadores « die Anzahl und Namen der Kinder, die mit Erlaubnis ihrer Eltern im Rahmen von »Ojitos Felices« untersucht werden wollen. An der Anzahl der zu untersuchenden Personen orientiert sich die Teamgröße für den Aktionstag.

In den Schulen werden dann Räumlichkeiten für die verschiedenen Augengesundheitsstationen vorbereitet: für den Empfang der Kinder und ihrer Begleitpersonen, Datenaufnahme und Dokumentation eventueller (Augen)Gesundheitseinschränkungen, Sehschwächenermittlung anhand von Sehzeichentafeln. Die nächsten Stationen betreffen diejenigen Kinder, bei denen schon Sehdefizite erkennbar sind: Untersuchung mit einem Autorefraktometer und Keratometer und im nächsten Schritt mit Probierbrille und Probenkasten, bis dann die Messergebnisse für eine Gläserfertigung vorliegen. Die Kinder können sich danach aus einer großen Auswahl von Brillengestellen das ihnen am ehesten passende Modell aussuchen.

In etwa einer Woche sind die Gläser fertig und in die ausgewählten Brillengestelle eingefügt. Alle Gläser sind mit einem Blaufilter (gegen schädliche Bildschirmstrahlung) und Antireflexfilter versehen. Bei einem zweiten Besuchstag werden die Kinder zunächst über die Nutzung, Handhabung und Pflege der Brillen aufgeklärt. Es wird dabei auch die Bedeutung ihrer Sehfähigkeit beschrieben. Dann erhalten die Kinder ihre Brillen mit einem Etui, Putztuch und einem Malbuch zur Augengesundheit.

In vielen Schulen und vor allem an abgelegenen Orten gestalten sich Aktionstage oft als prägendes Ereignis. Eltern erzählen, dass sie wüssten, dass ihre Kinder schlecht sehen könnten. Es gebe aber keine Möglichkeit zur Augenuntersuchung oder zum Erhalt einer kostenlosen Sehhilfe. Allein im Jahr 2025 untersuchte »Ojitos Felices« mehr als 4.000 Kinder und besorgte ihnen, wenn nötig, individuell angefertigte, hochwertige Brillen. Die Unterstützung der Franziskaner Mission München machte es möglich, dass alle Projektleistungen ohne Kosten für die Kinder und Schulen angeboten werden konnten.

Auch die Leiterin des »Centro Educativo Catolico San Antonio«, die Ordensschwester Reina Isabel Valle, ist froh, dass die Bildungsbedingungen mit der neuen Sehfähigkeit der Kinder verbessert sind. Seit circa 60 Jahren wird diese Schule von den Franziskanerinnen betreut und niemals zuvor hat es eine vergleichbare Augengesundheitskampagne gegeben. Allein in dieser Schule konnten mehr als 700 Kinder untersucht werden.

Nach den zwei Aktionstagen an jeder Schule öffnet sich für viele Kinder eine neue Welt, so auch für Mateo, der zum ersten Mal die Wörter und Zahlen an der Schultafel lesen kann und beim Heimweg Details erkennt, die er vorher nicht sehen konnte: die Blätter an den Bäumen, die Vögel in der Luft, die Freunde in der Nähe. Für Mateo zeichnet sich jetzt ein normaler Entwicklungsweg ab. Vielleicht wird er eines Tages als Arzt oder Ingenieur anderen Menschen Gutes tun.

Sehprobleme bei Kindern: Einsätze an Schulen in El Salvador 2025: Schauen Sie das Informationsvideo auf YouTube über das Projekt.


Die Autoren Cibely und Bernhard Dohle aus Windhagen in Rheinland-Pfalz haben den Verein »Los Fundadores El Salvador e.V.« ins Leben gerufen.

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